Gibran, Kahlil

Vertrauen ist eine Oase im Herzen, die von der Karawane des Denkens nie erreicht wird.

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Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe.

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Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber. Sie kommen durch euch, aber nicht von euch, Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht. Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken, Denn sie haben ihre eigenen Gedanken. Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen, Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen. Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen. Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern. Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden. Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit, und Er spannt euch mit Seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen. Laßt euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein; Denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.

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Dann sprach Almitra abermals und sagte:
»Und was ist mit der Ehe, Meister?«
Und er antwortete und sprach:

Ihr wurdet zusammen geboren, und ihr werdet auf immer zusammen sein. Ihr werdet zusammen sein, wenn die weißen Flügel des Todes eure Tage scheiden. Ja, ihr werdet selbst im stummen Gedenken Gottes zusammen sein.

Aber lasst Raum zwischen euch. Laßt die Winde des Himmels zwischen euch tanzen.

Liebt einander, aber macht die Liebe nicht zur Fessel: laßt sie eher ein wogendes Meer zwischen den Ufern eurer Seelen sein.

Füllt einander den Becher, aber trinkt nicht aus einem Becher. Gebt einander von eurem Brot, aber eßt nicht vom selben Laib.

Singt und tanzt zusammen und seid fröhlich, aber laßt jeden von euch allein sein, so wie die Saiten einer Laute allein sind und doch von derselben Musik erzittern.

Gebt einander eure Herzen, aber nicht in des anderen Obhut, denn nur die Hand des Lebens kann eure Herzen umfassen.

Und steht zusammen, doch nicht zu nah: denn die Säulen des Tempels stehen für sich, und Eichbaum und Zypresse wachsen nicht im Schatten des anderen.

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Kahlil Gibran (1883 - 1931)

 

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