Evolution des Bewußtseins: vom Tiefschlaf zum Erwachen

Evolution des Bewußtseins: vom Tiefschlaf zum Erwachen

In der Evolution des Bewußtseins werden verschiedene Bewußtseinsstufen (oder -formen bzw. -frequenzen) unterschieden, die sich über lange Zeiträume der Menschheitsgeschichte herausgebildet und die jeweils vorangegangene Stufe oder Frequenz integriert und als dominierende abgelöst haben. Genial zusammengefaßt in einem alten indischen Aphorismus:

Der Göttliche Geist schläft in den Steinen, atmet in den Pflanzen, träumt in den Tieren und erwacht im Menschen.

Evolution


Kollektiv

Individuell

Dimensionen des Raums (Welt)

Signatur

Archaisches Bewußtsein (griech. = erstes, oberstes, vorzüglichstes)

Im archaischen Bewußtsein befindet sich alles in der Ganzheit, alles ist auf das All bezogen und ohne Dimension von Raum und Zeit.

Der Geist ruht gewissermaßen im traumlosen Tief-schlaf. In seiner Stille ist alles (im Sinne Hegels) aufge-hoben, d.h. sowohl geborgen wie auch verborgen und außer Kraft gesetzt.

Im Blick des neugeborenen Kindes ist für den außenstehenden Betrachter eine grenzenlose Weite und Tiefe spürbar. Ganzheit ist gegenwärtig, jedoch für das Kind völlig unbewußt.

Für den Betrachter sieht es aus wie das Paradies, doch für das Kind ist es vollständiges Gefangensein in der Begrenzung seines Bewußtseins.

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Magisches Bewußtsein (lat. imago = das Bild)

Im magischen Bewußtsein stehen die äußere Natur, die als beseelt erlebt wird, und die Emotion im Zentrum des Erlebens. Als eine der inneren Natur entstammende Bewegung ist die Emotion im Erleben noch nicht ge-trennt von der äußeren Natur, sondern einheitlich und richtungslos verflochten. Es gibt nur eine Dimension ohne Raum und Zeit. Das Bewußtsein ist ich-los, irdisch und vom Bauch bestimmt. Es geht vor allem um das Fortbestehen der körperlichen Existenz, um das Überleben.

"Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will." (Albert Schweitzer)

Träger der Lebensenergie sind vor allem Instinkt, Trieb und Gefühl.

Einigung und Erhörung sind die Mittel, die hier bereits verlorene Einheit wieder zu gewinnen. Magie nutzt Bilder, die als Eindrücke eine unmittelbare Wirkung in der Psyche hervorrufen. Dabei spielen Götzen, Idole und Rituale eine große Rolle.

Der Geist gerät angesichts der Bedrohung des körper-lichen Überlebens in Unruhe. Er befindet sich in un-ruhigem, aber immer noch traumlosem Schlaf

Im ersten Schritt der Individuation erlebt das Kind den eigenen Körper als getrennt von den anderen Körpern (= Körper-Ich). Der stammesge-schichtlich älteste Teil des Gehirns (Reptilienhirn oder Stamm-hirn) mit dem Bauch als Instinktzentrum ist geboren und mit ihm die Dimension des vitalen Überlebens-triebs.

Zum ersten Mal kommt Angst auf als unvermeid-liche Folge der Entstehung eines »Ich«, auch wenn das »Körper-Ich« noch vorsprachlich und unbewußt ist. Emotionale Reaktion und Verhalten sind stark von diesem »Körper-Ich« bestimmt.

Die Vertreibung aus dem Paradies hat stattgefunden. Es gibt ein Gefühl der Ahnung, daß es einmal ein Paradies gab, das aber verloren ist. In der Folge entsteht ein Gefühl der Sehnsucht nach diesem verlorenen Paradies.

Das Paradies scheint wieder erreichbar zu sein, wenn es gelänge, auf „des Pudels Kern“ zu kommen, den geheimen Punkt zu finden. Der aber befindet sich auf einer anderen Ebene, die noch in der Latenz verborgen ist.

Mit der Länge als 1. Achse des Koordinatensystems entsteht eine horizontale naturbe-zogene Zeitachse, die aber noch völlig unbewußt wirkt.

 

Die Signatur ist der Punkt.

Mythisches Bewußtsein (griech. mythos = das gesprochene Wort)

Im mythischen Bewußtsein werden Innen- und Außen-welt zwar als getrennt erlebt, doch wird auch die Außenwelt als beseelt erfahren. Außenwelt ist jetzt nicht mehr nur die Natur, sondern auch die vom Menschen erschaffene Kultur. Im Zentrum des Innen-lebens steht nicht mehr das Bild (imago), sondern die Imagination, die Kraft der Einbildung. Es gibt nun zwei Dimensionen, naturbezogene Gezeiten und eine kreisende Bewegung polarer Ergänzung. Das Bewußt-sein ist ich-los, wir-bezogen und vom Gemüt bestimmt.

Träger der Lebensenergie sind vor allem Imagination, Empfinden und Gemüt. Die psychische Bewegung ist eine kreisende emotionale Bewegung jeweils um die beiden Gegenpole. Im Mittelpunkt dieser Kreisbewe-gung steht das Herz als Fühlzentrum, dem es um die Integration beider Pole geht.

Durch Ergänzung und Entsprechung wird versucht, zur Einheit zu kommen. Dabei spielen mündlich weiterge-gebene Mythen mit Göttern, Mysterien und Symbolen eine große Rolle. Die Integration kann jedoch nicht gelingen, weil es an einem klaren Spiegel fehlt, der nicht in die emotionalen Bezüge verstrickt ist.

Der Geist schläft und träumt.

Im zweiten Schritt der Individuation erlebt das Kind das eigene Gefühlsleben (Gemüt) als getrennt von den Gefühlen der Mutter oder anderer Bezugsperso-nen. Es entsteht nun auch ein »Ich« auf emotionaler Ebene. Der stammesgeschichtlich zweit älteste Teil des Gehirns (Limbisches System oder Säugetier-hirn) mit dem Herzen als Fühlzentrum ist geboren und mit ihm eine neue Dimension emotionaler Bindung.

Zum ersten Mal tritt Liebe als verbindende Kraft in Erscheinung, die in emotionaler Bindung zum Aus-druck kommt. Emotionen und Verhalten sind stark vom Herzzentrum (Gemüt) bestimmt.

Auf der Grundlage der emotionalen Bindung wird das Gefühl der Sehnsucht nach dem Paradies mit der Gegenwart der geliebten Bezugsperson (Mutter) verknüpft. Unbewußt und auf emotionaler Ebene kreist das kindliche Erleben um zwei Gegenpole, die seine Erfahrung beherrschen, nämlich die eigenen Gefühle und die Gefühle der Bezugsperson (Mutter).

Das verlorene Paradies scheint wieder erreichbar zu sein, wenn es gelänge, beiden Polen zu entsprechen.

Breite als 2. Achse des Koordinatensystems tritt auf horizontaler Ebene hinzu. Es ist die Dimension polarer Differenzierung der einen Lebenskraft (Polarität von links + rechts, von weiblich + männlich, usw. ….

Die Signatur ist der Kreis.

Mentales Bewußtsein (lat. mens = gerichtetes ermessendes Denken)

Das mentale Bewußtsein ist zum heute weltweit vor-herrschenden geworden. Raum und Zeit bilden gewis-sermaßen die Bühne für die Außen-Welt, im Innenleben steht das abstrakte, also von der sinnlich erfahrbaren Wirklichkeit losgelöste Denken im Zentrum. Das abstrakte räumliche Vorstellungsvermögen ist jetzt voll ausgebildet und die Erfahrung von dualer Gegensätz-lichkeit bestimmt. Einigung wird durch Synthese und Versöhnung möglich. Der Kopf ist das bestimmende Zentrum und das Denken kreist um ein vorgestelltes »Ich« (Selbstbild) und materielle Schein-Bedürfnisse.

Träger der Lebensenergie sind vor allem Abstraktion, Reflektion (Neocortex) und Wollen.

Einigung wird erstrebt durch Dialog im Dreischritt von These, Antithese und Synthese. Für die Versöhnung der Gegensätze spielen dogmatische Glaubenssätze, die Vorstellung eines Gottes, zeremonielle Handlungen und nicht zuletzt wissenschaft-liche Methoden eine große Rolle. Solange der Blick nur nach außen gerichtet ist („macht Euch die Erde untertan“), bleiben die trauma-tischen Erfahrungen und die Spuren, die sie auf den Stufen der Entwicklung hinterlassen haben, unbewußt und wirksam. Verhalten und Erleben kreisen um eine Illusion von »Ich« (Selbst-Bild), die nur in der Vor-stellung existiert: der Geist ist in der Flasche gefangen.

Der Geist befindet sich in Trance im Banne seiner Vorstellungen und Gedanken. Den Kontakt zur sinnlich wahrnehmbaren Wirklichkeit hat er weitgehend verloren.

 

Im dritten Schritt der Individuation erlebt das Kind die Geburt des eigenen Vorstellungs- und Denkvermögens. Nachdem es auf den vorangegangenen Stufen schon latent angelegt war, erscheint nun das »Ich« auf mentaler Ebene, also dort, wo es als unbewußte Einbildung auch hingehört. Der jüngste Teil des Gehirns (Neocortex mit der Großhirnrinde) ist geboren, der Kopf ist jetzt das Zentrum. Zu den Dimensionen des vitalen Überlebens (Bauch) und des Fühlens (Herz) sind nun Vorstellung und Denken als dritte Dimension hinzugekommen.

Emotionen und Verhalten sind auf dieser Stufe stark vom Kopf bestimmt. Auf der einen Seite bringt das einen enormen Zuwachs an Möglichkeiten der Lebensbewältigung, auf der anderen Seite ermöglicht und fördert es auch den weit-gehenden Kontakt-verlust zur äußeren und inneren Wirklichkeit.

Die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies führt nun zur Entstehung von Ideologien mit utopischem Charakter. Das verlorene Paradies scheint wieder erreichbar zu sein, wenn es denn gelänge, die äußere Welt der jeweiligen Ideologie entsprechend zu ver-ändern. Doch fehlt diesem Streben nach Weltver-besserung das Bewußtsein der eigenen Innenwelt.

Der Geist befindet sich in dem von uns als normal erachteten Zustand relativer Wachheit, der nur von einer höheren Warte aus als oberflächli-cher Schlaf mit stark beschleunigter Traumtätigkeit erkannt werden kann.

 

Die 3. Achse des Koordinatensystems (Vertikale bzw. Höhe und Tiefe) tritt hinzu:

Hier ginge es eigent-lich um die aufrichtige

Verbindung von Himmel und Erde, von Unendlichkeit und begrenzter Form:

„Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden !“

Die Signatur ist das gleichseitige Dreieck.

Integrales oder transpersonales Bewußtsein

(über die Beschränktheit der persönlichen Perspektive hinausführend und alle vorhergehenden Stufen integrierend)

Für diese Bewußtseinsfrequenz wird die Außenwelt zur Offenbarung unsichtbarer geistiger Muster, die frei von Raum und Zeit im Ursprung gegenwärtig sind, das Innenleben wird zur Konkretion dieser geistigen Muster auf der Ebene persönlicher Erfahrung. Das Bewußtsein ist durch Freilegung der seelischen Tiefendimension vierdimensional geworden, es ist frei von Raum Zeit, frei vom Ich-Bezug, frei von materiellem Bezug, das Gemüt ist ledig.

In der inneren Erfahrung manifestiert sich die Lebens-energie vor allem in der Verdichtung geistiger Muster (Goethe in Faust II: "das Unzulängliche, hier wird's Ereignis"), in der Durchlässigkeit der Grenzen auf physischer, emotionaler und mentaler Ebene und im kontinuierlichen Gewahrsein der Gegenwart im Wahrnehmen und Wahrgeben (vgl J. Gebser).

Nachdem durch die Erhellung der seelischen Abgründe alles transparent geworden ist, kann durch die menschliche Gestalt das Ganze hindurchscheinen bzw. hindurchtönen (Persönlichkeit hat sich zu Person verwandelt)

Der Geist befindet sich im Zustand hellwacher Durchsichtigkeit und Durchlässigkeit.

Dieser vierte Schritt der Individuation wird in der spirituellen Tradition auch als Wiedergeburt im Geiste oder als Gottesgeburt in der Menschenseele (Meister Eckehart) bezeichnet. Im Unterschied zu den vorangegangenen Evolutionsschritten vollzieht er sich nicht mehr gleichsam natürlich, sondern nur in bewußter Hinwendung nach innen.

Es ist ein Weg, der dem Menschen die Entscheidung abverlangt, immer wieder innezuhalten, die Aufmerksamkeit nach innen zu lenken, die eigenen Prä-gungen und Muster zu entdecken und anzuschauen, bis sie im Mitgefühl des sich öffnenden Herzens dahinschmelzen und ihre Energie wieder in den Fluß des Lebens einmündet, so daß dieser sich weiter vertieft und intensiviert.

Indem der Mensch den Kontroll-Anspruch seines »Ichs« vollständig aufgibt und sich das Nichtwissen eingesteht (Sokrates: „Ich weiß, daß ich nicht weiß“), öffnet sich das Tor zu innerer Stille und zu weiteren Qualitäten des Unendlichen wie Frieden,

Leichtigkeit und liebevollem Mitgefühl.

Der schon auf der magischen Bewußt-seinsstufe gesuchte geheimnisvolle Punkt, in dem alles transfor-miert und integriert wird, ist der Kreuzungspunkt der 3 Achsen im Koordi-natensystem: das Herzzentrum verbunden mit der Klarheit des nach innen gerichteten mentalen Spiegels ermöglicht es dem Menschen, sich von Weisheit leiten zu lassen.

Die vierte Dimension ist die Dimension seelischer Tiefe, die in jedem Augenblick gegenwärtig ist und unter der Oberfläche der sinnlich wahr-nehmbaren Phänomene erst durch die innere Arbeit der Selbster-gründung freigelegt wird. Das Bewußtsein erkennt sich schließlich selbst als das Ganze:

Der göttliche Geist erwacht in der Menschenseele.

Die Signatur ist die Kugel.